Cristóbal Lehyt, Dave Hullfish Bailey, Jarbas Lopes, Judith Raum, Kasper Akhøj, Manuel Raeder, Mariana Castillo Deball
Das Goethe-Institut New York freut sich, das Künstlerhaus Stuttgart als dritten Partner für die Zusammenarbeit mit seinem Satelliten-Ausstellungsraum für zeitgenössische Kunst, Ludlow 38, zu präsentieren. Nach dem Kunstverein München und der European Kunsthalle Köln stellt das Künstlerhaus Stuttgart ein weiteres institutionelles Modell aus dem deutschen Kontext dar, das ursprünglich auf künstlerischer Selbstorganisation basierte. Die erste gemeinsame Ausstellung der beiden Kuratoren Axel Wieder und Tobi Maier versammelt Arbeiten von KünstlerInnen, die sozio-politische Fragestellungen verfolgen und dabei eine Spannung zwischen konkreten sozialen Umständen und deren Abstraktion erzeugen. Abstract Derive geht von einer Arbeit des Künstlers Cristóbal Lehyt aus, die dieser 2008 für das Künstlerhaus Stuttgart realisierte und die aus einem umfangreichen Modell der Stadt Stuttgart sowie Portraits seiner EinwohnerInnen bestand. Die Arbeit wird bei Ludlow 38 gemeinsam mit Arbeiten anderer KünstlerInnen präsentiert, die Fragen nach der Besonderheit von Orten und der Politik der Abstraktion aufwerfen, um auf diese Weise einen Zusammenhang von Geschichte und deren Repräsentation zu vermitteln.
Kasper Akhøj befragt in seiner Arbeit die Bedeutung von Design in unserer Gesellschaft. 2006 nahm der Künstler an einem Forschungsprojekt über Titos Autobahnprojekt – die Schnellstraße der Brüderlichkeit und Einheit – aus den 1940er und 1950er Jahren teil. Später reiste Akhøj entlang der Strecke von Skopje nach Ljubljana und entdeckte dabei das Abstracta-Displaysystem, das der dänische Architekt Poul Cadovius während der 1960er Jahren gestaltet hatte. Unterschiedliche Versionen dieses Systems wurden in Südosteuropa als flexible und mobile Strukturen zur Warenpräsentation in verschiedensten Zusammenhängen eingesetzt. Akhøj, den vor allem die variable Nutzung des Präsentationssystems interessiert, zeigt bei Ludlow 38 eine Variante von Abstracta.
Judith Raums historische und geographisch spezifischen Forschungen über Geschäftsbeziehungen und den kulturellen Wissenstransfer zwischen Deutschland und dem Osmanischen Reich sind Gegenstand ihrer neuen Videoarbeit Subjectivity (15 min., 2010). Statische Aufnahmen von hölzernen Webstühlen werden von einem Voiceover begleitet. Die Bilder der verschiedenen Webstühle aus Deutschland und der Türkei verfolgen ein Interesse an der Produktion von Subjektivität und Selbst-Ermächtigung, die hier am Arbeitsethos der Heimweber und deren auf Improvisation basierendem unternehmerischem Risiko sichtbar werden. Zusätzlich sind eine Reihe von selbstproduzierten Booklets mit visuellen Essays aus Raums Recherchen und Gespräche der Künstlerin mit Alice Creischer, Rahel Jaeggi und Suhail Malik zu sehen.
Dave Hullfish Bailey interessiert sich für Prinzipien der Selbstorganisation und einen dezentralisierten Do-it-yourself-Ansatz im Design. In seiner künstlerischen Arbeit rekonstruiert er historische Projekte und Initiativen und verortet diese neu, um deren mögliche Zukunft zu imaginieren und anhand dieser Beispiele spekulative Szenarien über individuelle Freiheit und gemeinsames Leben zu entwickeln. Indem Bailey die Projekte in kulturelle Repräsentationen übersetzt, oft in Form von Modellen oder Fotografien, nähert er sich in sehr bewusster Weise der Frage, wie soziale Themen im kulturellen Kontext auftauchen und behandelt werden können. Die Fotografie aus der Serie Working approximation of a conventional form, re-determined by prevailing conditions (2007/2009) zeigen die Bilbliothek von Slab City, einer improvisierten Siedlung in der Wüste in Kalifornien. Bailey bestimmte die Kamerawinkel nach Kompasspunkten und schuf auf diese Weise ein nach abstrakten Kriterien bestimmtes – und durchschaubares – Beschreibungssystem. Eine zweite Arbeit ist ein gebundenes Exemplar von Baileys Buch What’s left, in dem auch seine Recherchen über Slab City dokumentiert sind, dass durch seine bibliotheksähnliche Bindung die Materialität von Information unterstreicht
In Mariana Castillo Deballs Video Entropology (8 min., 2008) erzählt eine Stimme die semi-fiktionale Geschichte einer Mineralogin, die am CERN (der Europäische Organisation für Kernforschung in Genf) Steine herstellt die nicht in der Natur vorkommen. Das Video besteht aus Bildern vom CERN aus den 1950er Jahren und einer Sammlung von Steinen, die der französische Intellektuelle Roger Caillois zusammengetragen hat. Caillois war auf der Suche nach einer Ordnung der Dinge, die das Wissen der Menschheit umfasst, aber nicht darauf beschränkt ist. Er schlug eine Art über die Welt nachzudenken vor, die nicht auf Disziplinen oder Textgattungen beschränkt war, sondern aus ungewöhnlichen Verbindungen bestand.
Interaktion zwischen Menschen taucht häufig in der Arbeit von Jarbas Lopes auf. Seine Projekte haben zumeist kein vorbestimmtes Ende und basieren auf Zuschauerbeteiligung. Lopes interessiert sich für den Zufall und die Spannung zwischen Material auf der einen und deren Interaktion mit Individuen auf der anderen Seite. In den letzten Jahren benutzte Lopes für eine Reihe von Arbeiten Bungee-Seile in verschiedenen Farben, deren Überlagerung Objekte mit sowohl ästhetischem wie praktischem Wert erzeugt. Die hier gezeigte Arbeit stammt aus informellen Gruppenexperimenten bei Ausflügen in New York, sie stellte ursprünglich ein Modell einer grossen interaktiven Skulptur dar und ähnelt nun einer Krone oder Maske.
Der Designer Manuel Raeder arbeitet mit Typographie und Bildern, um Informationen auf eine Weise zu präsentieren, die sie nicht durch ihre Gestaltung festschreibt, sondern offen für vielfältige Lesarten hält. Im Rahmen seiner Tätigkeit erforscht Raeder derzeit die Geschichte der Konkreten Poesie, insbesondere in Südamerika. Er interessiert sich dabei für die offenen Systeme von Sprache und vergleicht diese dabei mit architektonischen Werken wie Lina Bo Bardis Gebäuden in Brasilien. Für Abstract Derive produzierte Raeder ein Poster, das sich auf diese Recherche bezieht.
Ausstellungseröffnung
22.05.2010, 18:00—20:00 Uhr
Ludlow 38 wird unterstützt von MINI und Friends of Goethe.
Ludlow 38 Künstlerhaus Stuttgart Goethe-Institut New York
38 Ludlow Street
New York 10002, USA
Tel. +1 212 228 6848
www.ludlow38.org
info@ludlow38.org
Öffnungszeiten: Donnerstag—Sonntag , 13:00—18:00 Uhr